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Arztbesuch während der Arbeitszeit

Die wichtigsten Begriffe im Zeitmanagement

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Arztbesuche während der Arbeitszeit lassen sich nicht vermeiden. Kaum eine Arztpraxis ist bereit, sich bei der Terminvergabe nach den zeitlichen Voraussetzungen von Arbeitnehmern zu richten. In der Praxis ist der Umgang mit Arztterminen während der Arbeitszeit ein häufiges Konfliktthema zwischen Unternehmen und ihren Mitarbeitern. Immer wieder werden solche Streitigkeiten auch gerichtlich ausgetragen. Generell gilt: Ein Arzttermin ist Privatsache. Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Arbeitgeber jedoch trotzdem zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Die Bedingungen dafür regeln das Bürgerliche Gesetzbuch und einige weitere Gesetze. Hierzu gehören neben den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes das Mutterschutzgesetz (MuSchG), das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) sowie aktuell die Corona-Arbeitsschutzverordnung.

Wird ein Arztbesuch als Arbeitszeit gewertet?

Einen grundsätzlichen Anspruch auf eine bezahlte Freistellung für einen Arztbesuch während der Arbeitszeit haben Arbeitnehmer nicht. Vom Grundsatz her ist ein Arzttermin eine Privatangelegenheit. Arbeitnehmer stehen damit in der Pflicht, Arztbesuche in ihrer Freizeit wahrzunehmen. Davon ausgenommen sind akute Erkrankungen – beispielsweise Zahnschmerzen, Brustschmerzen oder ein sich verschlimmernder Infekt – die während der Arbeit aufgetreten sind. In diesem Fall ist der Arztbesuch notwendig – somit muss der Arbeitgeber die Ausfallzeit vergüten. Wenn während des Arztbesuchs wegen akuten Beschwerden eine Krankschreibung erfolgt, sichert das Entgeltfortzahlungsgesetz für die Dauer der Erkrankung oder für die folgenden sechs Wochen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – der Arztbesuch ist hier eingeschlossen. Arbeitsunfähig muss der Arbeitnehmer wegen eines notwendigen Arztbesuches in der Arbeitszeit jedoch nicht zwangsläufig sein.  

Daneben gibt es allerdings weitere Voraussetzungen, die eine Vergütung der Fehlzeiten wegen eines Arztbesuches ermöglichen. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in Paragraf 616 BGB. Die Formulierungen des Paragrafen, die auch für die Gewährung von Sonderurlaub gelten, sind sehr allgemein gehalten. Sie beziehen sich auf sogenannte Dienstverträge, zu denen auch Arbeitsverträge zählen. Demnach behält der zur Dienstleistung verpflichtete seinen Vergütungsanspruch nicht, wenn er für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ durch einen Grund, der in seiner Person liegt, ohne eigenes Verschulden an seiner Dienstleistung verhindert wird. Jedoch muss er sich darauf Beträge anrechnen lassen, die durch die gesetzliche Kranken- oder Unfallversicherung geleistet werden.

Wann ist ein bezahlter Arztbesuch nach Paragraf 616 BGB zulässig?

Aus Paragraf 616 BGB geht hervor, dass für einen bezahlten Freistellungsanspruch bei einem Arztbesuch die folgenden Kriterien erfüllt sein müssen: Der Arzttermin muss notwendig oder an feste Zeiten – beispielsweise für bestimmte diagnostische Verfahren und Behandlungen – gebunden sein. Der Grund dafür muss in der Person des Arbeitnehmers liegen. Der Zeitaufwand dafür muss in einem akzeptablen und insgesamt eher unerheblichen Rahmen liegen.

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits im Jahr 1984 entschieden, dass Arbeitnehmer eine Vergütung für Fehlzeiten nur verlangen können, wenn der Arztbesuch notwendig ist. Der typische Anlass dafür sind akute, während der Arbeitszeit aufgetretene Beschwerden.  Das Gleiche gilt, wenn Untersuchungen an bestimmte Uhrzeiten sind. Ein klassisches Beispiel dafür ist eine Blutabnahme, für die der Patient morgens nüchtern in der Arztpraxis erscheinen muss. Wenn eine sofortige Behandlung nicht erforderlich ist, müssen Arbeitnehmer dagegen zunächst versuchen, den Arzttermin in ihrer Freizeit zu vereinbaren. Notwendig ist ein Arztbesuch auch dann, wenn ein Termin außerhalb der Arbeitszeit nicht vereinbart werden kann. Dabei muss es sich nicht um einen akuten oder dringenden Termin handeln. Diese Möglichkeit ist beispielsweise dann gegeben, wenn eine Arztpraxis grundsätzlich keine Rücksicht auf die zeitlichen Wünsche von Patienten nimmt, sich die Arbeitszeiten und die Sprechstunden vollständig überschneiden und der Arbeitnehmer keinen Einfluss auf die Terminvergabe nehmen kann.

Zwar sieht Paragraf 616 BGB vor, dass der Grund für eine bezahlte Freistellung in der Person des Arbeitnehmers liegen muss – in der Praxis sind in diese Regelung jedoch auch Arztbesuche mit kranken Kindern oder anderen Angehörigen eingeschlossen. Auch hier gilt, dass der Freistellungsanspruch nur besteht, wenn der Arzttermin nicht in der Freizeit wahrgenommen werden kann. Zudem ist die Notwendigkeit der Begleitung nachzuweisen.

In Tarifverträgen oder individuellen Arbeitsverträgen können von den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen abweichende Regelungen vereinbart werden. Paragraf 616 BGB kann hier konkretisiert, ebenso aber ausgeschlossen werden.

Ist für Vorsorgeuntersuchungen eine bezahlte Freistellung von der Arbeit möglich?

Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen begründen dagegen keine Notwendigkeit eines Arztbesuches während der Arbeitszeit. Der Arzttermin dafür muss zwingend in die Freizeit des Arbeitnehmers fallen, eine längere Wartezeit ist dafür in Kauf zu nehmen. Ausnahmen, die einen bezahlten Freistellungsanspruch begründen, sind lediglich Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft, die erste Nachuntersuchung für berufstätige Jugendliche und Auszubildende nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz sowie seit 2021 die Corona-Impfung auf der Grundlage der Corona-Arbeitsschutzverordnung.

Schwangere Arbeitnehmerinnen haben für die erforderlichen Vorsorgeuntersuchungen grundsätzlich Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit. Bis zur 32. Schwangerschaftswoche finden sie alle vier Wochen und danach in zweiwöchigen Intervallen statt. Ihr Freistellungsanspruch wird durch Paragraf 7 MuSchG geregelt. Paragraf 23 MuSchG schreibt ausdrücklich vor, dass diese Freistellungszeiten nicht vor- oder nachgearbeitet werden dürfen. Schwangeren oder stillenden Frauen darf durch die Freistellung kein Entgeltausfall entstehen. Allerdings ist der Arbeitgeber ausschließlich zur Entgeltfortzahlung zu den Vorsorgeterminen verpflichtet, andere Arzttermine falle nicht unter diese Regelungen.

Wie viele Stunden Arztbesuch während der Arbeitszeit?

Der Gesetzgeber sieht hierzu vor, dass notwendige Arztbesuche in der Arbeitszeit nur eine „verhältnismäßig unerhebliche Zeit“ in Anspruch nehmen dürfen. In der Praxis ist es schwierig, hierfür eine allgemeine Regelung zu finden. Arbeitsgerichte sehen hier in der Regel Fehlzeiten von wenigen Stunden als verhältnismäßig an. Hier wirkt sich jedoch auch die Häufigkeit der Arzttermine aus. Das Landesarbeitsgericht Frankfurt hatte sich im Jahr 1999 mit dem Fall eines Arbeitnehmers zu befassen, der nach einem Verkehrsunfall innerhalb von 13 Monaten 50-mal einen Arzt aufsuchte – offensichtlich während der Arbeitszeit. Das Gericht sah hier keine Unerheblichkeit mehr gegeben.

Grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmer nicht nur mögliche Rechte in Bezug auf bezahlte Freistellung wegen Arztterminen haben, sondern gegenüber ihrem Arbeitgeber auch diverse Pflichten zu erfüllen haben. Hierzu gehört insbesondere die Meldepflicht, die auch für Mitarbeiter im Homeoffice gilt. Wer während der Arbeitszeit zum Arzt geht, muss seinen Arbeitgeber frühzeitig darüber informieren, warum und wie lange er deshalb der Arbeit fernbleibt. Zu den Pflichten von Arbeitnehmern gehört auch, den Arbeitsausfall durch einen Arzttermin so gering wie möglich zu halten. Zu bevorzugen sind somit Termine in der Freizeit oder am Rand der Arbeitszeit.

Kann der Arbeitgeber einen Arztwechsel fordern?

Dass der Mitarbeiter einen anderen Arzt aufsucht, kann der Arbeitgeber grundsätzlich nicht verlangen – auch dann nicht, wenn eine Arztpraxis sehr unflexibel bei der Terminvergabe ist, so dass bei einem Arbeitnehmer immer wieder Fehlzeiten wegen Arztbesuchen entstehen. Arbeitnehmer haben freie Arztwahl. Klauseln im Arbeitsvertrag, nach denen der Arbeitgeber einem Mitarbeiter vorschreiben darf, welchen Arzt er im Krankheitsfall aufzusuchen hat, sind rechtlich unwirksam.

Dagegen darf der Arbeitgeber einen Nachweis über die Notwendigkeit von Arztbesuchen während der Arbeitszeit verlangen. Am besten verwenden Unternehmen dafür vorformulierte Bescheinigungen, die die folgenden Angaben enthalten sollten:

  • Name und Arbeitszeit des Mitarbeiters
  • Erklärung, des Arztes, dass der Arzttermin zwingend in die Arbeitszeit fallen musste
  • Eintrag der Uhrzeiten von Beginn und Ende der Behandlung.

Wenn ein Arzttermin als notwendig bewertet wird, fällt auch die Wegezeit zum Arzt unter die bezahlte Freistellung und folglich unter die Entgeltfortzahlung. Auch hier muss jedoch Verhältnismäßigkeit gegeben sein. Medizinisch begründeten Untersuchungen und Behandlungen durch einen Spezialisten können auch lange Anfahrtszeiten rechtfertigen.

Sind Arztbesuche Minusstunden?

Laut Paragraf 616 BGB sind Arztbesuche nicht automatisch Minusstunden. Wenn Arbeitnehmer die Fehlzeiten nicht selbst zu verantworten haben, der Arbeit nur für unerhebliche Zeit fernbleiben und der Arztbesuch notwendig ist, können sie nicht als Minusstunden gewertet werden. Konkretisierungen erfolgen oft in Arbeits- und Tarifverträgen. Von Arbeitnehmern sind solche Vereinbarungen zwingend zu beachten.

Ob Arzttermine als Minusstunden gelten, hängt außerdem von den Arbeitszeitregelungen im Unternehmen und der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit des Mitarbeiters ab:

Gleitzeit

Mitarbeiter, die in Gleitzeit tätig sind, können ihre Arbeitszeit im Rahmen der betrieblichen Vorgaben frei gestalten. Arbeitgeber dürfen daher verlangen, dass sie ihre Arzttermine in ihre Freizeit legen. Bezahlte und auf die Arbeitszeit angerechnete Freistellungen in der Kernarbeitszeit kommen für diese Arbeitnehmer nur in Fragen, wenn es sich dabei um Akutbehandlungen handelt. In allen anderen Fällen resultieren daraus Minusstunden.

Teilzeitbeschäftigte und Minijobber

Bei Teilzeitbeschäftigten ergeben sich aus Arztterminen in der Arbeitszeit in den meisten Fällen Minusstunden. In ihrer Zeitplanung sind sie deutlich flexibler als Vollzeitbeschäftigte, so dass sie grundsätzlich verpflichtet sind, für Arztbesuche ihre Freizeit zu nutzen. Akute Notfälle sind von dieser Regel ausgenommen.

Wie oft darf man während der Arbeitszeit zum Arzt?

Auch auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort oder verbindliche gesetzliche Regelungen. Viele ärztliche Behandlungen erstrecken sich über einen längeren Zeitraum und erfordern mehrere Termine. Beispiele dafür sind Physiotherapien, Allergiebehandlungen oder Psychotherapien. Wenn diese Arzttermine überwiegend während der Arbeitszeit wahrgenommen werden, können die durch sie verursachten Fehlzeiten das Kriterium der Nichterheblichkeit als Voraussetzung für eine bezahlte Freistellung unter Umständen nicht mehr erfüllen. Arbeitnehmer sollten versuchen, solche Termine zumindest teilweise außerhalb der Arbeitszeit zu vereinbaren oder in die Randarbeitszeit zu legen. Wenn beides nicht möglich ist, sollte die Notwendigkeit dafür gegenüber dem Arbeitgeber gut begründet werden. Bei unstrittig notwendigen Therapien wie beispielsweise einer Dialyse besteht dagegen keine Pflicht, sie möglichst außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen. Die Entgeltfortzahlung steht hierdurch nicht in Frage.

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