Da sind wir also, Sie und ich. Unabhängig und selbständig, Herren und Frauen über unsere eigene Arbeit. Egal ob Einzelkämpfer, Firmengründer oder Besitzer eines kleinen Unternehmens: Das unabhängige Arbeitsleben ist intensiv, spannend und vor allem arbeitsreich. Das ist auch gut so. Und die Statistik beweist: Wir werden immer mehr. Was bedeutet das eigentlich? Für uns selber, für die Zukunft und für den Arbeitsmarkt?
Das European Forum for Independent Professionals, kurz EFIP, hat sich dieselbe Frage gestellt. In einer wissenschaftlichen Studie haben sie die iPros, wie sie uns nennen, in Europa untersucht. Die Arbeit der Zukunft Und da haben sie so Einiges herausgefunden. Die iPros, kurz und trendig für Independent Professionals, sind zum Beispiel meistens sehr gut ausgebildet. Sie finden sich eigentlich in allen Berufsfeldern, aber nicht überall gleich ausgeprägt. Ihr liebstes Habitat ist der Bereich Kunst und Unterhaltung sowie Wissenschaft und technische Arbeiten, wo sie ca 25% der Arbeitskraft ausmachen.
Quelle: Future Working. The Rise of Europe’s Independent Professionals, 2013
Aber besonders interessant finde ich, wie stark die iPros sich vermehren: In den letzten zehn Jahren ist die iPro-Population in Europa um 45% gewachsen, von 6,2 Millionen auf 8,9 Millionen Menschen. Und sie vermehren sich wie die Karnickel – die iPros sind die am schnellsten wachsende Gruppe von Erwerbstätigen auf dem Arbeitsmarkt Europa:
Quelle: Future Working. The Rise of Europe’s Independent Professionals, 2013
Die Gründe dafür sind doppelt: Einerseits werden feste Arbeitsplätze immer seltener, andererseits sehnen sich die Leute nach einem anderen Arbeits- und Lebensstil. Denn darum geht es den iPros: Sie wollen keine Jobs, sondern eine Arbeit, die sie erfüllt. iPro zu sein ist keine Arbeitsform, sondern eine Lebensform. Die Forscher haben sogar herausgefunden, dass ganze 37% der Menschen in Festanstellung gerne iPro wären – aber sich nicht trauen, aus Angst vor der finanziellen Unsicherheit. Umgekehrt sind viele iPros nicht glücklich mit der Unsicherheit und den fehlenden Sozialversicherungen, die ihre Selbständigkeit mit sich bringt.
iPros im deutschsprachigen Raum
Ich lebe ja jetzt in der Schweiz, und ich habe festgestellt, dass es zwischen den Ländern grosse Unterschiede gibt, wie man als iPro von offizieller Seite her wahrgenommen wird. Das beginnt schon beim Namen: In der Schweiz heisst das offiziell selbständig Erwerbend, in Deutschland und Österreich Freiberufler. Am freundlichsten erscheint Österreich, denn da hat man die Möglichkeit, freiwillig in die Arbeitslosenkasse einzuzahlen – und damit für schlechte Zeiten vorzusorgen. In der Schweiz hingegen ist man für die Arbeitslosenkasse nicht mehr existent als Selbständig Erwerbende, wie das so schön heisst. Dafür wird man in der Schweiz automatisch zur Einzelfirma als Selbständiger. Verwirrend, nicht? Finde ich auch. Darum habe ich mich kundig gemacht und einen kleinen Vergleich zwischen den deutschsprachigen Ländern gezogen: Deutschland, Österreich und der Schweiz, nennen wir sie doch D-A-CH.
Schweiz
In der Schweiz hat man folgende Möglichkeiten: Entweder man meldet sich bei der Sozialversicherungsanstalt im Wohnkanton als selbständig erwerbend im Haupt- oder Nebenerwerb. Einkommen ab 2300.- Schweizer Franken pro Jahr sind AHV/IV pflichtig, das heisst, man bezahlt die Altersvorsorge der ersten Säule. Die Arbeitslosenversicherung ALV entfällt dann, ebenso die Pensionskasse – für schlechte Zeiten und die zweite Säule muss man selber aufkommen. Das gesamte Einkommen ist steuerpflichtig. Als selbständig Erwerbender wird man automatisch zur Einzelfirma, mit allen Konsequenzen. Oder man gründet eine GmbH oder AG. Für beide ist ein Minimalkapital nötig, bei der GmbH ist dieses erheblich kleiner. Das hat den Vorteil, dass man im Angestelltenverhältnis bleibt und unter Umständen Anspruch auf Arbeitslosen-Geld hat und in eine Pensionskasse einbezahlt.
Deutschland
Ganz anders sieht es in Deutschland aus. Übt man einen Freiberuf aus, wie das offiziell heisst, unterliegt man nicht mehr der Gewerbeordnung. Während in der Schweiz der Berufsstand nicht so wichtig ist, gibt es in Deutschland einen Katalog an Berufen, die Freiberufe sind. Diese sogenannten Katalogberufe sind genau gelistet, und zwar im Einkommensteuergesetz §18. Übt man einen solchen Beruf aus, sind Umsatzsteuer und Einkommensteuer Pflicht. Im Unterschied zu der Schweiz kann man auch als Freiberufler in der Arbeitslosenversicherung bleiben. Die meisten Freelancer in Deutschland sind allerdings nicht Freiberufler, sondern Einzelunternehmen. Und da kommt zusätzlich zur Einkommensteuer, Lohnsteuer und Umsatzsteuer unter Umständen noch die Gewerbesteuer hinzu. Und wie steht es um Deutsche Start-Ups? Hier wird unterschieden zwischen Kleinunternehmen und Personengesellschaften wie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der Offenen Handelsgesellschaft OHG, der Kommanditgesellschaft KG, der GmbH und der Partnergesellschaft PartG. Im Unterschied zu allen anderen Gesellschaften ist die Partnergesellschaft ist ausschliesslich Freiberuflern vorenthalten und benötigt kein Mindestkapital.
Österreich
In Österreich ist das alles noch ein bisschen komplizierter. Da gibt es diverse Rechtsformen wie die Kommanditgesellschaft, GesnbR: Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, Klein- und Kleinstunternehmer und die Freien Berufe. Die Freiberufler haben sogar ein eigenes Gesetz, nämlich das Freiberuflich-Selbständige Gesetz . Da ist festgelegt, dass Arbeitslosenversicherung zwar nicht Pflicht ist, aber freiwillig möglich ist – für Unternehmer wie Freiberufler. Damit entfällt eine der grössten Sorgen der iPros.
Fazit: Auch wenn sich die D-A-CH Länder eine Sprache teilen: Im Umgang mit iPros und Kleinunternehmern sind sie sehr unterschiedlich. Aber alle werden sie sich in Zukunft immer stärker damit auseinandersetzen müssen. Die Wissenschaftler vom EFIP ziehen aus ihren Forschungen folgenden Schluss: Der Weg als iPro wird aus seinem bisherigen Schattendasein zu einer anerkannten und reellen beruflichen Karriere werden.
Ob Freelancer, Freiberufler oder Selbständiger, ob GmbH, AG oder sonst eine Gesellschaft: Ich wünsche Ihnen eine lange Zukunft voller freudespendender Arbeit!
Herzlich, zistemo